Höllertreff
Der Weg zurück zur Höll oder wenn die Höll zum Paradies wird.
Wenn hinter einer Idee Personen stehen die aus diesen Ideen dann auch Nägel mit Köpfe machen, resultiert meistens etwas Einmaliges. Ein solches Ereignis ging am 2. Oktober am Lorzendamm über die Bühne.
Schon vor Monaten, so um die Fasnachtszeit tat sich etwas, dass für viele ehemalige «Höllerinnen» und «Höller»* zu eben solch einem einmaligen Erlebnis werden sollte.
Blenden wir zurück. Es gab eine Zeit so Mitte des 20. Jahrhundert da tummelten sich weit über 50 Kinder an einem einmaligen, wohl schönsten Flecken den Kantons der «Höll». Einmalig, weil Kinder weit ab vom Verkehr, Lehrer, Polizei oder sonst welche Störenfriede ihrem unbändigem Drang nach Freiheit ausleben konnten. Die Höll** war für uns Kinder ein Paradies. (Näheres zu unserem Paradies weiter unten)
Nun diese Kinder sind inzwischen älter geworden und die Idee war nun, diese Höllerkinder wieder zusammenzubringen. Es müsse ein Tag werden wo man sich ganz ungezwungen und mit möglichst wenig Aufwand Treffen sollte, so das das Ziel der Organisatoren.
Die grösste Arbeit war und die forderte, all die Leute ausfindig zu machen. Monika und Hebi konnten aber im Laufe der letzten Wochen und Monate bis an ein zwei Personen alle Ehemaligen anschreiben und einladen. Über 85 Personen wollen an diesem Tag dabei sein. Ein grossartiger Erfolg für das OK, hat es auch verdient für die immense Arbeit die dahinter steckte.
Nun war es soweit. Ab 11 Uhr am Samstag des 2. Oktober traf man sich am Lorzendamm – was sag ich – natürlich in der Höll. Hinter dem letzten Höllhaus bei und in der Bocciabahn. Schon alleine der Treffpunkt ist für uns ein Historischer Platz. Da stand früher Reedys Scheune und da ging manches über die Bühne über das am besten der Mantel der Vergessenheit ausgebreitet wird!
Grosse fragende Augen sah man beim Händeschütteln. Eine der meist gestellten Frage waren sicher: Wer bisch jetzt au du scho wider? Verständlich, viele hatten sich 30, 40 oder gar 50 Jahre nicht mehr gesehen. Aus dem Büntnerland, dem Bernbiet, dem Kanton Aargau ja aus der halben Schweiz war man angereist für diesen Treff. Dafür war die Haarfarbe, wenn überhaupt noch vorhanden schon ziemlich einheitlich geworden: grau dominierte allenthalben.
Es gab viele Fragen, es gab auch manches «weisch no». Es war eine herzliche Atmosphäre. Von Anfang an mochte man sich wieder, ehrliche Freude auf das Wiedersehen sah man den Gesichtern an. Sogar ein Todfeind – ein Leihgässler – durfte sich ohne Gefährdung des Lebens unter uns Höller mischen.
Das Mittagessen, das jeder sofort aus dem eigen Sack bezahlte, war einfach aber fein. Ein anmächeliger Desserttisch lud zu Kaffee und Kuchen ein.
Wer hatte, nahm alte Fotos mit und heftete sie an eine Wand. Lange Diskussionen entstanden dort. Auch da wurde geraten wer das oder jener auf dem Foto wohl sein könnte.
Nach dem Essen moderierte Hebi gekonnt durch den Nachmittag mit Geschichten aus 10, 20 Jahren Höllerleben. Erlebtes wurde hervorgeholt. Eigentlich wollte auch ein Teil des Gemeinderates dabei sein. Ich denke aber, manche Geschichte die da zum Besten gegeben wurde, bleibt besser unter uns. Und es wurde ja noch lange nicht alles gesagt.
Als es draussen anfing zu dunkeln, lichteten sich die Besucherreihen und als Irma und ich uns verabschiedeten sassen nur noch wenige Hartgesottene an den Tischen. Wer weiss, vielleicht treffen wir uns wieder einmal für weitere Geschichten, schön wäre es.
*Zum Begriff: Höller oder Höllerin.
Das sind Menschen, die Anfangs des 20. Jahrhunderts bis ungefähr in die Mitte der 70. Jahre des vorigen Jahrhunderts, den Lorzendamm bevölkerten. Es war die Zeit wo die Spinnerei Baar noch in voller Blüte stand. Es waren einfache Menschen, man schaute einander nicht auf die Fingern. Die Erwachsenen arbeiteten täglich 9 Stunden in der Fabrik (Spinni) und das mit einem bescheidenen Lohn. Dafür war der Hauszins sehr günstig. Einen Mietvertrag aus dem Jahre 1935 habe ich unten abgebildet. 30 Jahre später kostete die gleiche Wohnung SFr. 35.- und monatlich 2 Fr. für den Wasserzins. Jede Familie besass auch einen eigenen Garten mit dem dazugehörenden Holzschopf. Chüngel wurden gehalten auch eine Schweinezucht gab es. Das Futter für die Schweine, sackweise Haferflocken, ergab manchmal wenn keine Erwachsene in der Nähe waren, eine willkommene Zwischenmahlzeit. Vermengt mit frischen Beeren aus dem Wald gab das ein feines Birchermüesli.
**Höll
Das Gebiet Höll das für uns Kinder das Paradies war, erstreckt sich vom Ende der Spinnerei bis nahe an die Höllgrotten. Links und rechts der Lorze annektierten wir manchmal noch einige Hektaren, für unsere Tätigkeiten dazu. Wir Kinder waren viel unterwegs in diesem Gebiet wenn wir nicht gerade zur Schule mussten.
Die Lorze floss, (fliesst auch heute noch) an den Häusern vorbei und wenige Meter hinter dem letzten Höllhaus befand sich unser «Buebegonnte». Einen besseren Badeplatz findet man nirgens. Für uns der beste Platz im Sommer bei schönem und auch weniger schönem Wetter. Hier trafen wir uns, badeten, fischten oder leiteten die Lorze um. Fast immer brannte ein Feuer auf der Liegewiese am Badeplatz, den rohe Fische waren auch für Höller ungeniessbar. Übrigens, Kartoffeln wurden ganz in der Nähe angepflanzt und wir wussten diesen Umstand sehr zu schätzen. Wenn wir schon beim Essen sind die besten Kirschen ernteten wir auf der Oberallmig. Bei dieser Arbeit wurde unsere Schnelligkeit oftmals von Bauern aus der näheren Umgebung getestet. (Wir waren schnell, sehr schnell)
Auch einen Tschutiplatz im angrenzenden Wald hatten wir und der Betonplatz beim «Bauelemagazin» (Baumwollmagazin) ergab für uns einen idealen Tennisplatz.
Auch zwischen den Häusern spielte sich ein grosser Teil unseres jungen Lebens ab. Chöpfle, Zinggis, Völkerball, Grenzball, Eishockey im Sommer und im Winter. Ein grossartiger Eishockeytorwart brachten wir hervor, Herbi spielte jahrelang mit grossem Erfolg beim Baarer Schlittschuhclub im Tor. Ich stelle dazu einmal ein Video ins Internet. Wir waren immer auf Trab, sportlich konnten und können wir den Dörflern einiges vormachen.
Als Indianer streiften wir stundenlang durch den Wald bis zur Wildenburg drangen wir vor und kannten so fast jeden Stein. Dort suchten wir unsere weissen Feinde. Auch die Baarerburg gehörte zu unserem Einzugsgebiet. Nichts war vor uns sicher. Die Höller waren für ihre Streiche im Dorf bekannt.
Die Höll war der schönste Kinderspielplatz den man sich wünschen konnte weit und breit. Ein Paradies eben.
Deine Fotos zeige ich gerne hier, schicke sie an meine E-Mail-Adresse: sueessheiri@bluewin.ch. Danke.